Bhraga - Ice Lake (Tag 8)

Heute werden wir zum Ice Lake auf 4625m üNN aufsteigen. Es stehen 1350 Höhenmeter bevor. Die Tour dient der Akklimatisation.

Andrea geht es am Morgen noch nicht besser. Zum Frühstück bekommt sie nur ein paar Bissen runter. Trotzdem wird sie mitgehen, da die Angst - später Höhenkrank zu werden - überwiegt. Im Rucksack hat sie nur das Nötigste.

Der Himmel ist wieder wolkenlos. Das verspricht einen herrlichen Ausblick, aber auch einen heißen Tag. Wir beginnen den Aufstieg über eine saftig, grüne Weide. Diese bildet hier oben eine absolute Ausnahme.

Pun führt uns sehr langsam an. Andrea hat sich hinter ihm eingereiht. Nach 30min legen wir schon die erste Pause ein und die letzten entledigen sich ihrer Jacke. Über steinige Serpentinen gewinnen wir stetig an Höhe. Immer wieder sind auch steilere Teilstücke von 100 – 200 Metern zu bestehen. In diesem Fall wird das Tempo nochmals reduziert. Die Anstrengung erkennt man an der Ruhe in der Gruppe. Kaum Gespräche. Einige sind zu sehr damit beschäftigt, in sich hinein zu horchen.

Seitdem wir das Dorf verlassen haben, folgt uns ein Hund, der treu bis zum Ziel bei uns bleiben wird. Jemand muss ihm in der Vergangenheit was zu essen gegeben haben. Es kursiert aber auch die Theorie, dass es sich um einen als Hund inkarnierten Bergsteiger handelt, was hier im buddhistischen Teil Nepals durchaus vorkommen kann.:-)

Der Schweiß läuft und man hört schweres Atmen. Pun hat mittlerweile Andreas Rucksack übernommen. Schweigend folgt sie ihm und der Rest hinterher. Während der Pausen genießen wir die faszinierende Aussicht auf die Annapurna Wände und die Chulu-Berge. Während einer Pause beobachten wir am gegenüberliegende Gletscher einen Lawinenabgang. Die Dimensionen sind aus der Entfernung kaum abzuschätzen. Das ist in dieser Umgebung allgemein sehr schwer. Man muss sich nur mal vorstellen, dass die auf den Fotos abgebildeten Berge bis zu 7000 Meter hoch sind und wir uns schon auf 4000m Metern befinden.

Dann passiert etwas Unerwartetes. Silvia, eine der wenigen, die bisher auch noch Luft hatten, sich zu unterhalten, baut plötzlich rapide ab. Pun beobachtet sie mit Sorge. Einer der Träger übernimmt ihren Rucksack. Nach weiteren 10min geht nichts mehr. Sie muss sich hinlegen. Pun und Som treffen erstmal Maßnahmen, um sie zu stabilisieren. Der Rest stellt sich um sie herum um Schatten zu spenden. Wahrscheinlich ist es die Hitze. Es geht ihr schnell wieder etwas besser. Pun entscheidet, dass Som bei ihr bleibt und wenn es ihr noch bessergeht, beide absteigen. Ihr Mann Frank und ein Träger bleiben auch zurück.

Vor uns liegt ein Steilhang über den wir zum nächsten Bergrücken aufsteigen. Unter uns können wir die Zurückgebliebenen erkennen. Kurz bevor sie außer Sicht sind, bemerken wir, dass sie nicht absteigen, sondern den weiteren Aufstieg beginnen. Pun ist sichtlich irritiert und schaut etwas sorgenvoll. Immerhin hat er die Verantwortung. Ob das Ärger gibt?

Wir steigen weiter auf. Kurz vor dem Ziel haben uns die vier eingeholt, da wir viele Fotopausen eingelegt hatten. Pun diskutiert mit Som und lässt sich aufklären. So erreichen wir alle gemeinsam den Ice Lake. Wir machen eine 45 minütige Rast und schießen die obligatorischen Erinnerungsfotos. Zu lange möchte Pun uns noch nicht der Höhe aussetzen. Hoch laufen – tief schlafen ist das Motto. Silvia ist unterdessen völlig genesen. Somit kann sich Frank während des Abstieg voll und ganz um Evelyn kümmern. Ihr fehlt es sichtlich an Trittsicherheit. Er zeigt ihr, wie man auf losem Untergrund im Steilhang die Füße richtig belastet und das Vertrauen in die Rutschfestigkeit der Sohlen gewinnt.

Während des Abstieg bildet sich noch ein Sorgenkandidat heraus. Irmgard hustet zunehmend. Zu allem Überfluss scheint es dem ältesten der Teilnehmer beim Abstieg nicht schnell genug zu gehen. Er beginnt einen etwas holprig anmutenden Speedabstieg. Allerdings holen wir ihn wieder schnell ein, als er nach dem ersten Steilhang auf einem Stein pausiert. Mit solchen Aktionen macht man den Führern das Leben unnötig schwer. Später meint derselbe innerhalb der Gruppe, die Serpentinen abkürzen zu müssen. Das geht gar nicht. Im Geröll oberhalb einer Gruppe laufen und die Gefahr von losgetretenen Steinen in Kauf zu nehmen. Er kann auch stürzen und jemanden mitreißen.  Als er sich dann noch oberhalb der sowieso schon unsicheren Evelyn befindet, erntet er böse Blicke. Pun registriert das Verhalten natürlich auch.

Die 1350m Abstieg über losen Untergrund ziehen sich endlos, und alle sind froh, als sie die Lodge erreichen. Am Abend schmerzen einige Füße und Knie.

Frank und ich diskutieren am Abend noch das Erlebte. Ihm ist klar, dass sie sich über die Entscheidung von Pun hinweggesetzt haben. Jedem muss bewusst sein, dass man mit sowas einem Führer die Lebensgrundlage entziehen kann, wenn doch schlimmeres passiert.

Heute haben einige ihre Lektion gelernt. Die Gruppendisziplin ist die nächsten Tage hervorragend.

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