Das heutige Etappenziel steht noch gar nicht fest, als wir nach dem reichlichen Frühstück um 8.00 Uhr in der Früh aufbrechen. Das Rifugio Sommariva al Pramperèt ist belegt und auf unserer Karte sind die ersten roten Punkte als Wegmarkierung eingetragen. Dies bedeutet zumindest wegloses Gelände. An der Pramperèt möchten wir, die tatsächliche Schwierigkeit hinterfragen. Vielleicht haben wir ja Glück und jemand hat abgesagt. Von diesen Faktoren abhängig, werden wir entscheiden, ob die Tour dann schon endet.
Der Tag beginnt mit einem Abstieg über die asphaltierte Passstrasse Richtung Agordo. Nach ca. 20 min erreichen wir einen Wanderparkplatz, von wo der Weg Nr. 543 steil durch den Bergwald hinauf zur Forcella Dagarei führt. Der Wald lichtet sich. Vor uns liegt ein weitläufiger Hang mit Buschwerk, Geröllfeldern und groben Blockwerk. Wir sind froh, so früh unterwegs zu sein. In der Mittagssonne wird man hier sicher gegrillt. Erst kurz vor Erreichen der Almhütte Casera Moschesin, finden man wieder Schutz unter den Bäumen. Während die anderen Wanderer ihre Wasservorräte auffüllen, steigen wir über steile schmale Serpentinen gesäumt von Buschwerk Richtung Forcella Moschesin auf. Die Büsche geben kaum Schatten und die Mittagssonne brennt. Der Weg läuft parallel zum Berghang, von wo man stetig ein herrliches Bergpanorama geniessen kann. An der Forcella angekommen folgen wir der Variante Panoramica Nr. 543. Ein steiler Aufstieg über Felsblöcke bringt uns weiter hinauf. Wir können die Hütte schon unter uns sehen. Es heißt wieder absteigen. Die letzten Meter führen über grüne Wiesen. Das idyllisch gelegene Refugio lädt zu Mittagspause ein. Da es noch früh am Tag ist, entscheiden wir uns weiterzulaufen und fragen erst gar nicht, ob noch etwas frei geworden ist. Die sehr herzlichen Betreiber sind voller Interesse an unserer Webseite. Den Weg zur Rifugio Pian de Fontana beschreibt ein älterer Herr als unproblematisch – Welch eine Fehleinschätzung. Wir rufen das Rifugio Pian de Fontana an und können 2 Schlafplätze sichern. Grisu ist voller Freude, die Tour bis zum Ende laufen zu können. Die Niederländer machen hier Schluss. Wir verabschieden uns herzlichst. Die Hütte ist so gemütlich, dass wir uns kaum aufraffen können. Zum Überfluss findet auch noch ein Konzert unter freien Himmel statt. Etwas neidisch blicken wir auf die Zuschauer, als es losgeht. Ich bin etwas gespannt auf das Kommende, da ich eigentlich schon genug schlechte Erfahrungen mit den Aussagen von Einheimischen bezüglich der Wegbeschaffenheit gesammelt habe. Wir gehen wieder einige hundert Meter zurück bis wir den Weg Nr.514 erreichen. Der Weg führt durch Buschwerk hinauf zur Portèla Piazedèl. Nachdem wir das letzte sehr steile Wegstück gemeistert haben, sehen wir links über uns den Kamm der Cime del Baranciòn. Dort müssen wir hinauf. Zunächst über Felsplatten und anschließend durch ein Geröllkarr erreichen wir eine ebenere Passage. Doch der letzte 100m Aufstieg zum Kamm gestaltet sich sehr steil und beschwerlich.
Wow! Hier stehen wir nun. Links fällt die Flanke 80m fast senkrecht ab, rechts ist es auch nicht besser. Der Wegweiser zeigt einen felsigen Grat hinauf. Mit meinen 17kg (viel Wasser) fühle ich mich etwas unwohl. So krabbel ich lieber auf allen Vieren hinauf. Als ich den Grat fast hinter mir habe, schaue ich zurück. Grisu hängt immer noch am Beginn und kommt nicht mehr vor und zurück. Der zu hoch gepackte Rucksack behindert sie. „Ich bekomm´ gerade ne Vollmeise!!“ schallt es hinauf. Pech! Ich überlasse sie ihrem Schicksal und gehe weiter.
Natürlich nicht!!!! Rucksack ausziehen und erst mal auf dem Popo das erste Stück wieder hinunter. Ohne Rucksack fühle ich mich sicherer und gehe dann doch aufrecht. Grisu übergibt mir ihr Gepäck. Wirklich störend. Ich kann den Kopf nicht in Nacken nehmen. Während ich wieder hinauf krabbel, folgt mir Grisu aufrecht. Unter uns bemerken wir andere Wanderer. Was die wohl denken?
Der Weg wird flacher und wir erreichen die Forcella Sud del Van de Città. Geschafft? Jetzt liegen 600m Abstieg vor uns, die zunächst leicht beginnen. Die ersten 300m sind geschafft. Am Ende des gerade durchquerten Hochtals eröffnet sich ein steiler, sehr steiler Grashang. Weit unter uns können wir das Rifugio Pian de Fontana erkennen. Der erdige Weg ist durchsetzt mit gelegentlichen Felspassagen, die kaum einen Tritt bieten. Der Hang fällt extrem steil ab, so dass hier nochmal volle Konzentration erforderlich ist. Bei Nässe würde ich diesen Hang nicht hinunter gehen wollen. Die 300 Höhenmeter kommen uns endlos vor und wir sind froh, als wir die rustikale, sehr einladende Hütte erreichen.
Die Gruppe hinter uns hatte uns zwischenzeitlich überholt. Wir treffen sie hier beim Bad in der Viehtränke wieder. Das Rifugio besteht aus einem Haupthaus und drei kleinen Steinhütten in denen die Bettenlager untergebracht sind. Sehr beengt, aber urgemütlich. Die freundliche Hüttenwirtin weist uns die Schlafplätze zu und nimmt sofort unseren Essenswunsch entgegen. In einer Stunde gibt es schon Abendessen. Wir haben wieder Halbpension gebucht.
Grisu stellt sich zum Duschen an, während ich nach 7 Tagen meine erste Zigarette rauche und mit einigen Gästen unterhalte. Hier sind nur noch Bergwanderer anzutreffen. Einige absolvieren ebenfalls unsere Tour, andere die Tour München-Venedig. Als ich ich zum Duschen gehe, muss ich feststellen, dass jemand mein zugewiesenes Bett in Beschlag genommen hat. Ja wie? Entspannt bleiben und erst mal die kalte Dusche aufsuchen. Später weist uns die Hüttenwirtin einfach andere Betten zu. Obwohl wir sehr müde sind, hat Grisu trotz Oropax ein unruhige Nacht, da wir direkt neben einem „Sägewerk“ schlafen.